Außerhalb der Kirche kein Heil

■ Eine der zentralsten Fragen, die uns in der theologischen Auseinandersetzung mit dem kirchlichen Modernismus der Neuzeit beschäftigt, ist ja die nach der Gottheit Jesu Christi. Zwar steht in den offiziellen Büchern und Glaubensbekenntnissen der „Konzilskirche“ formal immer noch der Glaubenssatz von der Gottheit Christi geschrieben, aber in der Praxis ist dies keinesfalls mehr sicher. Bestimmte Äußerungen und Praktiken der höchsten Vertreter dieser Religionsgemeinschaft lassen nämlich berechtigte Zweifel daran entstehen, ob man da denn wirklich und mit aller notwendigen Konsequenz ehern daran festhält.
Denn z.B. die wiederholten Äußerungen eines Johannes Paul II., Christen, Juden und Moslems würden an einen und denselben Gott glauben, lassen doch seine Haltung durchleuchten, dass wenigstens diese zwei Religionen ebenfalls ordentliche (und somit vom wahren Gott angeordnete) Wege zum Heil seien. Wenn dann seit Jahrzehnten zahlreiche interreligiöse Gebetstreffen durchgeführt werden, auf welchen diese und viele andere nichtchristlichen Religionen als gleichwertig dargestellt werden, dann bestätigt dies die eindeutige Tendenz des Modernismus, es wäre nicht unbedingt nötig, an Jesus Christus als den göttlichen Erlöser zu glauben und im Sakrament der Taufe ein neues Geschöpf zu werden.
Insgesamt wird durch viele Äußerungen und Veranstaltungen ökumenischer und interreligiöser Art klar zum Ausdruck gebracht, der Glaube an Jesus Christus sei nicht heilsnotwendig bzw. man könnte auch völlig unabhängig vom Empfang der Taufe im engeren und hier eigentlich gemeinten Sinn ein Kind Gottes werden. Somit relativiert und leugnet man schlussendlich seitens der entsprechenden Verantwortlichen der „Konzilskirche“ die Geltung des Grundsatzes, welcher zunächst von Jesus selbst eindeutig und unmissverständlich formuliert worden ist: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch Mich.“ (Joh 14,6.) Und Petrus, der Anführer der Apostel, bekennt dann vor dem Hohen Rat in Bezug auf Jesus freimütig: „Jener ist der Stein, der von euch Bauleuten verworfen wurde, der aber zum Eckstein geworden ist. In keinem anderen ist das Heil. Denn es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir das Heil erlangen sollen.“ (Apg 4,12.)
Daraus lässt sich dann die Erkenntnis schlussfolgern, dass es an sich auch kein Heil außerhalb der von Jesus Christus gestifteten Kirche geben kann, weil sie ja von Ihm gerade zum Zweck der Verkündigung Seiner Heilsbotschaft in der ganzen Welt und der Vermittlung Seiner erlösenden Gnaden in den heiligen Sakramenten gestiftet worden ist. Der Evangelist Markus fasst dies so zusammen: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.“ (Mk 16,16.) Denn sollte die Erlösung von der Sünde und somit auch das ewige Heil der Seelen auch völlig unabhängig von Jesus oder sogar in bewusster Ablehnung von Ihm als dem göttlichen Erlöser gewirkt werden können, wäre Er nicht wahrer Gott und Offenbarung des Vaters!
■ Diesen Grundsatz von der Heilsnotwendigkeit des Glaubens an Jesus und Seine Taufe hier immer voraussetzend stellt sich dann natürlich auch die Frage, wie weit denn die Kirche dieses Dogma gelten lassen wolle bzw. was sie ganz speziell über das Schicksal jener Menschen lehrt, die ohne eigenes vollbewusstes Verschulden keine Christen geworden sind. Was sagt also die katholische Kirche zum ewigen Schicksal der Menschen, die entweder überhaupt nie in ihrem Leben die Wahrheit über Jesus und Sein Heilswirken gehört haben oder die nur eine inhaltlich sehr stark verzerrte Version davon bzw. richtige Gruselgeschichten über das Christentum und die Christenheit zu Ohren bekamen?
Gelegentlich vernimmt man da unter Traditionalisten von Menschen, die sowohl grundsätzlich die Möglichkeit eines unüberwindlichen Irrtums bei uns Menschen kategorisch leugnen als auch die kirchliche Lehre von einer Begierdetaufe strikt ablehnen. Sie betonen einseitig die absolute Notwendigkeit des Empfangs der klassischen Wassertaufe und ziehen daraus die falsche Schlussfolgerung, dass jeder, der aus welchem Grund auch immer die Wassertaufe nicht empfängt, in der Ewigkeit ohne jeden Zweifel nur in die Hölle kommen müsste. Wie sieht da also die betreffende Lehre der Kirche aus?
Nun, erstens muss festgestellt werden, dass die Kirche sehr wohl die Möglichkeit des Vorliegens eines unüberwindlichen Irrtums annimmt. So heißt es dazu: „Normen aber, die der Einzelsituation schon näher kommen, können den sittlich weniger Gebildeten unüberwindlich unbekannt bleiben, vor allem wenn die Umwelt, zum Teil auch die staatlichen Gesetze, gegen das Sittengesetz stehen (etwa in Fragen der Ehe, der Kinderzahl, der Abtreibung, des Berufes, der Steuern usw.). Bei einer hier und jetzt unüberwindlichen Ignorantia besteht keine Schuld (D 1202).“ (Lexikon für Theologie und Kirche. Herder 1960, 5. Band, Sp. 615.)
Somit kann man nicht grundsätzlich ausschließen, dass ein ungebildeter und dann vielleicht auch noch des Lesens unkundiger Mensch in einem Land mit z.B. ausschließlich nichtchristlicher Bevölkerung den christlichen Glauben eben auf der Grundlage seines wohl kaum persönlich vollverschuldeten Nicht-Kennens des wahren Christentums ablehnt.
Der zweite Grundsatz, der hier anzuführen ist, ist das christliche Glaubensdogma von der Gerechtigkeit Gottes, dass Er den Menschen nämlich grundsätzlich nur für bewusst getane gute Werke belohnt bzw. ebenso willentlich vollbrachte Übeltaten bestraft. Warnt ja Jesus ausdrücklich davor, nur äußerlich mit dem Schein guter Werke auffallen zu wollen, ohne dabei den betreffenden inneren sittlichen Willen zu besitzen. Man denke da nur an die Warnungen Jesu vor der Heuchelei der Pharisäer und Schriftgelehrten bzw. an die betreffenden Wehe-Rufe! (Vgl. Mt 23,5.23.25f.27f.) Denn wer bei seinem Denken, Reden und Tun nicht die Ehre Gottes sucht und das Gute an sich bejaht, sondern nur sich selbst heuchlerisch in Szene setzen will, kann dafür keinen Lohn von Gott erhalten: „Habt acht, dass ihr eure Gerechtigkeit nicht vor den Menschen übt, um euch vor ihnen zur Schau zu stellen: sonst habt ihr keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel…“ (Mt 6,1-4).
Analog würde es gegen das Prinzip der Gerechtigkeit Gottes verstoßen, wenn Gott einen Menschen mit der Hölle bestrafen würde für ein Vergehen, welches er nie bewusst und willentlich getan hatte. Denn wenn jemand wenigstens hinreichend genug den Glauben und seine zentralen Gebote kennengelernt und so auch Jesus Christus erkannt haben sollte, und dann auf dieser Wissensgrundlage Jesus und das Christentum zurückweist und verstößt, dann wäre dies eine vollverantwortliche Tat gegen Christus, die auch die entsprechende im Evangelium dafür vorgesehene Strafe nach sich zieht.
Dagegen kann man es nicht mit dem christlichen Grundverständnis von einem gerechten Gott vereinbar ansehen, dass Er die gleiche Strafe der Hölle sowohl für den Menschen vorsieht, der Ihn bei bestem Wissen und Gewissen abgelehnt haben sollte, als auch für den Menschen, der etwa aus unüberwindlichem Irrtum kein Christ geworden ist. Im weltlichen Recht wird ja ebenfalls ein großer Unterschied gemacht – sowohl in der sittlichen Bewertung der betreffenden Tat als auch in der dafür vorgesehenen Strafe – zwischen jemand, der vollbewusst und vollüberlegt einen Mord begeht, und jemand, der etwa aus Unachtsamkeit oder aus gesundheitlichen Gründen die Kontrolle über sein Tun und Lassen verliert und so die Tötung anderer Menschen verursacht. Wird ja ein solcher Totschlag nicht einem Mord gleichgestellt! Und warum sollte Gott da weniger gerecht sein?
Drittens werden wir im Evangelium ausdrücklich davor gewarnt zu richten: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn das Urteil, das ihr fällt, wird über euch gefällt, und mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird euch gemessen werden.“ (Mt 7,1f.) Unter „Richten“ wird hier verstanden, eine endgültige und somit keine weiteren Zweifel duldende Entscheidung in Bezug auf das genaue Schicksal eines anderen Menschen in der Ewigkeit zu treffen. So lehrt auch die katholische Kirche grundsätzlich, was passieren werde, wenn wir Jesus Christus als den göttlichen Erlöser erkennen, an Ihn glauben, entsprechend sittlich leben und die lebenspendenden Sakramente empfangen, allem voran die heilige Taufe. Dafür werde man mit dem ewigen Leben bei und mit Gott belohnt.
Die Kirche trifft dabei aber keine konkrete Festlegung, außer im Fall von Heiligsprechungen, ob und wer genau die betreffenden Voraussetzungen und Bedingungen erfüllt habe und wer nicht oder nicht hinreichend. Das kann auch die Kirche nicht wissen, weil sie keinen Zugang zum inneren Bereich des Menschen hat und somit auch nicht wissen kann, ob die Gottesbeziehung dieses oder jenes Einzelmenschen ehrlich ist oder vielleicht auch nur gespielt und somit heuchlerisch. Die Kirche verkündet diesbezüglich „nur“ nach der Art eines Grundsatzes, was im Fall einer mehr oder weniger ehrlichen Annahme des Glaubens passieren werde. Den Rest, das endgültige Urteil sozusagen, überlässt sie Gott und Seiner Allwissenheit.
Ebenso wenig kann hier auf Erden jemand wissen, von welchen Beweggründen genau sich ein anderer Mensch auch bei der Entfremdung vom christlich-katholischen Glauben oder bei der Nichtannahme des christlichen Glaubens und der Taufe letztendlich leiten ließ. Auch in diesem Fall stellt die Kirche lediglich grundsätzlich fest, welche traurigen Folgen dies nach der Lehre Christi nach sich zieht – das endgültige Urteil darüber wiederum Gott allein überlassend! Denn die inneren Beweggründe anderer Menschen können Menschen sehr leicht verborgen bleiben. Letztendlich kennt Gott allein ganz genau und lückenlos alle unsere Gedanken und Beweggründe, weshalb nur Er das letzte Urteil über unser Tun und Lassen fällt und somit auch entscheidet, ob sich eine konkrete Seele in der Ewigkeit im Himmel, im Fegefeuer oder in der Hölle befindet.
■ Die Kirchengeschichte kennt mehrere Fälle, in welchen Taufbewerber gestorben sind, bevor sie das Sakrament der Taufe regulär (d.h. die Wassertaufe) erhalten konnten. Zwar sind sie im Glauben unterrichtet worden und haben sich auf die Taufe vorbereitet, sind dann aber vor diesem Zeitpunkt entweder durch einen Unfall, eine Krankheit oder ein sonstiges Unglück plötzlich aus diesem Leben gerissen worden. Die katholische Kirche lehrt dazu, dass in solchen Fällen das ehrliche innere Verlangen eines Katechumenen, die Reinigung der Seele von der Sünde (Liebesreue!) und die gnadenhafte Gemeinschaft mit Gott durch das Sakrament der Taufe zu erhalten, die fehlende Wassertaufe ersetzt und die betreffenden Sünden vergibt. Denn Gott weiß ja, dass ein solcher Mensch sich aufrichtig nach Ihm gesehnt und keine eigene Schuld daran hatte, dass er noch nicht getauft werden konnte. Aber er wollte dies ja ausdrücklich! Wegen des betreffenden innigen Verlangens danach nennt man solche Fälle Begierdetaufe.
In der 7. Sitzung des Konzils von Trient lehren die Väter: „Canon 4. Wenn jemand sagt, die Sakramente des neuen Gesetzes seien nicht notwendig zum Heil, sondern überflüssig, und es erlangen die Menschen ohne dieselben oder ohne Verlangen nach ihnen durch den Glauben allein von Gott die Gnade der Rechtfertigung, weil ja nicht alle notwendig seien: der sei ausgeschlossen.“
Hiermit bestätigt die Kirche einmal mehr ihre Lehre von der Heilsnotwendigkeit des christlichen Glaubens und der Taufe. Allerdings fügt sie auf dem betreffenden Allgemeinen Konzil nun auch ausdrücklich ihre schon immer geglaubte Lehrannahme hinzu, dass ein tiefes und ehrliches Verlangen nach der Taufe ebenfalls zur Rechtfertigung führen kann, falls der betreffende Kandidat – das setzt man hier wie selbstverständlich voraus – die sonst übliche Wassertaufe ohne eigenes Verschulden noch nicht erhalten konnte!
Dieser Grundsatz der Begierdetaufe greift selbstredend nur im Fall des tatsächlichen Todes eines Katechumenen. Sollte er dem Tod aber auch erst im letzten Augenblick von der Schippe gesprungen sein, gilt für ihn wie für alle anderen die selbstverständliche Notwendigkeit der Wassertaufe.
Neben der Begierdetaufe kennt die Kirche auch die Bluttaufe, welche im Martyrium begründet ist. Wer noch nicht getauft werden konnte, aber sich auf dem Weg dahin befindet und einen gewaltsamen Tod für den Glauben an Jesus Christus erleidet, der galt in der Kirche schon immer als jemand, der mit seinem eigenen Blut getauft worden ist. Diese Bluttaufe bewirkt sehr wohl die Rechtfertigung vor Gott, prägt jedoch wie im Fall der Begierdetaufe kein unauslöschliches Taufmerkmal ein. Solche Märtyrer werden von der Kirche wie selbstverständlich als Heilige verehrt.
■ Gut, hier geht es um Fälle, in welchen die Kandidaten wenigstens anfänglich schon den Glauben an Jesus Christus hatten und nach der Taufe strebten. Wie verhält es sich aber in Fällen von Menschen, die keinen ausdrücklichen Glauben an Jesus und kein ausdrückliches Verlangen nach der Taufe hatten, sich aber zum Zeitpunkt ihres Todes im Zustand des oben erwähnten unüberwindlichen Irrtums befanden?
In einem solchen Fall greift das Prinzip der christlichen Gerechtigkeit, wonach nämlich jeder von Gott nur für das und in dem Umfang zur Verantwortung gezogen werden kann, was er auch konkret verbrochen hat. In den Gleichnissen von den Fünf Talenten (vgl. Mt 25,14-30) und Zehn Pfunden (Lk 19,12-26) werden ja die betreffenden „Knechte“ in Abhängigkeit von der Zahl und Größe der erhaltenen Talente und Pfunde gerichtet – je mehr einer erhielt, desto mehr wird von ihm auch gefordert, und umgekehrt!
Bei der Annahme der Möglichkeit eines unüberwindlichen Irrtums beruft sich die katholische Theologie ja ausdrücklich auf den Umstand der geringeren sittlichen Bildung mancher Menschen, was ja auch mit der Frage nach ihrer generellen Intelligenz zusammenhängt. Ebenso übt darauf, wie wir lasen, auch die gesamte geistig-gesellschaftliche „Umwelt“ einen nicht unbeträchtlichen Einfluss aus.
Wofür sind solche (und nur solche) Nichtchristen dann verantwortlich? Für den sittlichen Bereich, der sich ihnen auf der Ebene der natürlichen menschlichen Erkenntnisfähigkeit öffnet! Zwar kann nach katholischer Lehre jeder Mensch die Existenz und einige der zentralen Eigenschaften Gottes mit dem natürlichen Licht des menschlichen Verstandes erkennen, so dass kein einziger Mensch mit halbwegs normalem Verstand vor Gott auf entsprechend „völlig unschuldig“ plädieren kann.
Aber es gibt doch auch Menschen, bei denen niedriger IQ etwa mit sehr ungünstigen äußeren Umständen einer starken anti-christlichen Propaganda gepaart ist, so dass von ihnen u.U. nicht sehr viel in Bezug auf eine pro-christliche Entscheidung verlangt werden kann. In dem Umfang sie aber etwas richtig verstehen, in dem zeichnen sie vor Gott selbstverständlich verantwortlich und werden dafür auch gerichtet werden.
„Die theologische Kontroverse, ob das zur Liebesreue hinzugeforderte votum baptismi (Verlangen nach der Taufe – Anm.) ein ausdrückliches (explicitum) sein müsse oder aber ein bloß latentes (implicitum) bleiben dürfe, entscheidet sich in ähnlicher Weise wie die parallele Frage, ob der die Heiden rechtfertigende Glaube an die Trinität und Inkarnation (Christus) als fides explicita (ausdrücklich zu glaubender Inhalt – Anm.) oder implicita (einschlussweise zu glaubender Inhalt – Anm.) auftreten müsse... Die gewöhnliche Ansicht behauptet, dass das votum baptismi implicitum genügt, d.h. ‚eine solche Gemütsverfassung, in welcher der Mensch die Taufe, würde sie ihm als unerlässliches Erfordernis des Heils bekannt, mit Sehnsucht verlangt‘ (vgl. Oswald, Die Lehre von den hl. Sakramenten der kath. Kirche, Bd. I, S. 259).“ (Pohle, Lehrbuch der Dogmatik, 1960. Ferdinand Schöningh [unveränderter Nachdruck der Neunten Auflage von1937], Bd. III, S.143.) Die Kirche sagt also nicht, diese sich momentan eventuell im unüberwindlichen Irrtum befindenden Menschen würden definitiv gerettet werden – einfach weil wir nicht Gott sind und daher beim besten Willen nicht um ihre tiefsten Gedanken und Sehnsüchte des Herzens wissen können und es sich somit unserer Kenntnis entzieht, ob sie wirklich alle dafür vorgesehenen Bedingungen erfüllen oder nicht. Die Kirche sagt nur, dass dies grundsätzlich möglich sein kann! Zumal auch nur Gott wissen kann, ob sie im Fall des hinreichenden Kennenlernens des christlichen Glaubens auch das erforderliche Verlangen nach der Taufe entwickeln würden.
Sollten sie dieses Verlangen nach dem Sakrament der Taufe dann tatsächlich empfinden (was natürlich Gott allein wissen kann), würde ja auch der Bezug zur katholischen Kirche als der von Jesus gestifteten Heilsinstitution hergestellt werden und auch dem Grundprinzip genüge getan, dass es außerhalb der Kirche kein Heil gibt und geben kann!
Gleichermaßen kann die Kirche auch nicht alle ungetauften Menschen automatisch und ohne die geringste Unterscheidung vorzunehmen in der Ewigkeit sozusagen in die Hölle schicken. Denn sonst würde sie Gott als ein ungerechtes Monster erscheinen lassen, bei dem die zentrale Frage nach dem ewigen Heil einer unsterblichen Seele einzig und allein von einer äußeren Formalität abhängen würde, nämlich von der Frage, ob das Taufwasser physisch seine Kopfhaut berührt hatte oder nicht. Man bedenke dabei, dass nach ausdrücklicher kirchlicher Lehre eine Taufe u.a. auch dann als ungültig angesehen werden kann, wenn sich beim Taufspender oder Taufempfänger objektiv nachprüfbar (etwa durch glaubwürdige Zeugenaussagen) ein wesentlicher Mangel an der erforderlichen Taufintention feststellen lassen sollte.
Inwiefern unterscheidet sich aber diese gesamte dargelegte Sicht der Dinge vom Modernismus? Nun, der Modernismus sagt, praktisch alle Religionen seien mehr oder weniger ordentliche Wege zum Heil, es spiele da keine entscheidende Rolle, ob jemand Christ, Jude, Moslem, Buddhist oder sonst wer ist. Alle sich wie auch immer als gläubig identifizierenden Menschen würden zu Gott kommen, auch dann nämlich, wenn sie Jesus sogar ausdrücklich und vollbewusst als wahren Gott und himmlischen Erlöser ablehnen sollten. Der überlieferte katholische Glaube betont dagegen unmissverständlich, dass nur das ehrliche christliche Glaubensbekenntnis und der Empfang des Taufsakramentes die Tür zu Gott und dem himmlischen Vaterhaus öffnen. Wer Jesus mit entsprechendem (Mindest)Wissen ablehnt, muss mit den entsprechenden von Jesus und dem Evangelium dafür vorgesehenen traurigen Konsequenzen rechnen. Wer sich aber im bedauernswerten Zustand des unüberwindlichen Irrtums befinden sollte, dem wird sehr wohl die entsprechende Gerechtigkeit Gottes widerfahren, der ja allein genau weiß, alles richtig zu bewerten und einzuordnen.
Und sollte er mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft die Existenz Gottes samt Seinen zentralen Eigenschaften erkennen, die eigene Sündhaftigkeit innerlich aufrichtig bereuen und sich nach der Reinigung der Seele und der Rechtschaffenheit des Willens sehnen, eröffnet sich ihm die Möglichkeit, dass ihm von Gott das sog. „Zeugenschutzprogramm“ der Begierdetaufe angerechnet werde. Die Kirche lehrt ausdrücklich eine solche Möglichkeit und unterstreicht somit die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes!
Es wäre nämlich auch eine falsche Vorstellung und eine verkehrte Darstellung des wahren katholischen Glaubens, wollte man ihn als hartherzig und gnadenlos erscheinen lassen, weil man ihm eine jegliche Fähigkeit zur Vornahme einer sachlich-berechtigten Differenzierung absprechen wollte. Nein, die Wahrheit Christi und Seines Evangeliums schließt selbstredend auch eine gerechte Beurteilung eines Sünders mit ein, zumal ja Jesus auch für ihn intentional gestorben ist.

P. Eugen Rissling


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